Jessica Hausner über LOURDES:
LOURDES, AMBIVALENZ, ABSURDITÄT
Der Film Lourdes ist ein böses Märchen- eine Einschlafphantasie oder ein Albtraum- Kranke und Sterbende aus aller Welt fahren nach Lourdes, um doch noch gesund zu werden- sie hoffen auf ein Wunder, weil in Lourdes eben noch Wunder geschehen- schrecklich nur, dass Gott ein launischer Mann ist, der gibt und nimmt wie er Lust hat und dessen Absicht einem verborgen bleibt.
Lourdes erzählt den Widerspruch vom Glauben an das Gute im Angesicht von Willkür und Vergänglichkeit
Für mich wird gerade in dieser Hoffnung, dass es einen guten Gott geben möge, der einen auffängt und tröstet, die Abwesenheit genau eines solchen Beschützers offensichtlich: daher die Wahl des Settings Lourdes.
Lourdes ist der Ort, an dem Sterbende und Verzweifelte auf Trost und Heilung hoffen- sie haben die absurde Hoffnung im Angesicht des Todes, es möge doch noch alles gut werden.
Um diesen Kontrast geht es mir: man hofft auf die Rettung, wissend, das das Leben zu Ende geht. Diese Hoffnung erscheint absurd, und dennoch hofft man.
Wie sehr ist dieser Wunsch nach Erlösung katholisch?
Für mich ist das katholische Lourdes die Bühne, auf der das Drama der Sehnsucht nach Glück und erfülltem Leben im Gegensatz zur Halbheit, Willkür und Absichtslosigkeit jeglichen Geschehens spielt.
Jemand, der gelähmt ist, möchte lieber gehen können- jemand der einsam ist, möchte lieber Freunde haben, jemand, der Hunger hat, möchte was essen.
"In diesem Sinn ist Lourdes eine Parabel- auf eine Weise sitzt jeder in einem Rollstuhl."
Zitat Pater Nigl
GLÜCK, VERGÄNGLICHKEIT, HOFFNUNG
Was bedeutet es für einen Menschen, geheilt zu werden- liegt nicht in dem Wunsch an sich die Unmöglichkeit der Erfüllung desselben?
Das Wunder, das in Lourdes geschieht, bringt eine Phase des Glücks, eine Verbesserung, aber am Ende keine Erlösung.
Das Versprechen, das die katholische Kirche gibt, nämlich die Erlösung, muss wohl doch auf später verschoben werden.
Cecile Zitat: "Die meisten erhalten Seine Gnade erst wenn sie tot sind.
Das ist der Trost für die, die nicht geheilt wurden oder eben einen Rückfall haben. Das Jenseits."
Der Wunsch geheilt zu werden, ist also der Wunsch, das Glück zu erleben und es festzuhalten: ein erfülltes, ganzes, glückliches, sinnvolles Leben zu leben. So wie Christine eben durch die Heilung beginnt zu hoffen, dass sie nun ihr Studium beenden kann und eine Familie gründen und Klavier lernen wird. Aber ihr Glück ist vergänglich- es handelt sich um ein Kommen und Gehen, das ohne Bedeutung (Absicht) ist.
EINER WIRD GEWINNEN, WAS MUSS ICH TUN?
Warum der und nicht ich?
Eine Wunderheilung ist prinzipiell etwas Ambivalentes und Ungerechtes: einerseits fragt man sich warum einer geheilt wird und ein anderer nicht. Kann man irgendetwas tun, um geheilt zu werden? Viel beten (wie die Mutter der apathischen Tochter), oder demütig sein (wie Cecile) oder im Gegenteil, gar nicht darauf hoffen (wie Christine) - es scheint so zu sein, dass es darauf keine Antwort gibt oder dass es darauf einfach nicht ankommt.
Das Wunder geschieht willkürlich, ohne Plan und ohne Absicht. Das ist zwar ungerecht, aber immerhin ist es etwas Beglückendes für den, der geheilt wird - aber so absichtslos wie die Heilung, ist leider auch die Dauer (die Gewissheit) der selben - hier beginnt Christine schließlich sich zu fragen, ob sie etwas tun muss, um sich würdig zu erweisen - worauf kommt es an?
Was kann man tun, damit das Wunder hält - Christine ist durch ihre Heilung verunsichert, es liegt ihr die christliche Demut nicht so, eigentlich möchte sie ihr Leben genießen- aber als sie ahnt, dass ihr neu gewonnenes Glück endlich ist, beginnt sie, nach dem Sinn zu fragen.
Christine ahnt, dass das Wunder so schnell vergehen kann wie es gekommen ist.