Händl Klaus wurde 1969 in Innsbruck geboren und wuchs dort auf. Nach der Matura nahm er Schauspielunterricht in Wien, war am Schauspielhaus Wien engagiert und spielte kleinere Rollen in Filmen von Christian Berger, Urs Egger, Michael Haneke, Jessica Hausner, Dagmar Knöpfel, Wolfram Paulus, Marc Rothemund und anderen. 1994 veröffentlichte er den Prosaband (Legenden) im Grazer Literaturverlag Droschl, dem ein Hörspiel, Opernlibretti für Beat Furrer, Klaus Lang und Eduard Demetz sowie drei Theaterstücke folgten, Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen, dann (WILDE)Mann mit traurigen Augen und Dunkel lockende Welt für das Festival steirischer herbst, Schauspiel Hannover und die Münchner Kammerspiele, erschienen im Rowohlt Theaterverlag, die in Sebastian Nüblings Inszenierung zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und in zahlreiche Sprachen übersetzt nachgespielt wurden. 2006 wurde er von der Zeitschrift Theater heute als Dramatiker des Jahres ausgezeichnet. Als Autor und Regisseur drehte er 1996 den Kurzfilm Das Waldviertel und 1998 gemeinsam mit Patricia Marchart den Animationsfilm Kleine Vogelkunde. MÄRZ ist sein erster Spielfilm. Händl Klaus lebt in Port am Bielersee (Schweiz), Wien und Berlin.
Ich war vor fünfzehn Jahren für ein paar Tage bei Freunden in Südtirol, als das geschehen ist. Es war ein solcher Schlag - man konnte kaum darüber reden. Und es gab keinerlei Motiv, auch keinen Abschiedsbrief. Einer meiner Freunde kannte die drei von kleinauf, sie waren zusammen zur Schule gegangen und haben dann in der Fabrik und in kleinen Betrieben gearbeitet. Ich bin in der Folge immer wieder hingefahren, wollte aber die betroffenen Familien nicht behelligen. Bin nur wieder und wieder durchs Dorf gegangen und habe den Schulfreund getroffen. Und versucht zu verstehen, was nicht zu verstehen ist. Nach außen hin steht es da als Nein zu diesem Dasein, und mit diesem Nein leben die andern weiter.
Ich wollte das Dorf zur Stadt hin öffnen - Innsbruck mit seiner Universität als möglichem Fluchtpunkt - , und einer der drei kommt bei uns überhaupt aus einer andern Stadt; er ist am wenigsten greifbar, weil wir seine Familie nicht kennenlernen, sondern nur seine Vermieter im Dorf. Es ist eine Leerstelle, von denen es hier so viele gibt.
Das sind Bilder aus dem Alltag. Daraus besteht das Leben auch nach einer solchen Tragödie. Aber dieser Alltag ist lange - und immer wieder - wie ausgerenkt. Dennoch legt man die Socken zusammen, ißt und schläft. Und man stellt sich Fragen, oder man stellt sie nicht. Am Ende haben wir nichts gesehen, das uns den Schlüssel in die Hand legt; es gibt nichts, das das Geschehene erklären kann.
Ja, Schnitt ist Komposition, das Material wird rhythmisiert - ich liebe diese Phase am meisten. Und ich hatte mit Joana Scrinzi eine wunderbare Cutterin zur Seite, wir haben uns meist auf den Wimpernschlag genau verstanden. Wir haben versucht, über die Auslassung zu erzählen. Um das Fehlen spürbar zu machen, klingt vieles nur an; später wird es, in einem anderen Kontext, wieder aufgenommen - es gibt Motivstränge und Objekte als rote Fäden; auf der Tonebene ist es ähnlich. Und wir konnten wirklich aus dem Vollen schöpfen, es gab 90 Stunden Material, und der Schnitt hat sich über zwei Jahre erstreckt, mit sehr langen Pausen, die auch hilfreich waren.
Zuerst geht es darum, so etwas wie "Lebensechtheit" einzufangen - von den Schauspielern etwas zu bekommen, das man ihnen tatsächlich glaubt. Es muß "stimmen", "zu sich kommen". Das bedeutet, daß Dialoge sich unter dem Einfluß des vorgefundenen Drehorts ändern können, oder daß Teile des Drehbuchs einen andern Verlauf nehmen müssen, nachdem man vorhergehende Szenen verändert hat. Die Stilisierung leistet einerseits Gerald Kerkletz mit seiner Kamera - sein Bildausschnitt erzeugt bereits die Lücken, die uns wichtig sind. Und im Schneideraum wird das "glaubhafte Material" dann wieder und wieder abgeklopft; man schaut, wo sich Komplizenschaften zwischen Bildern ergeben, oder Brüche.
Wir haben uns miteinander auf die jeweilige Situation eingelassen. Die Laien haben von Haus aus alles mitgebracht, da hatte ich sehr großes Glück. Und die Schauspieler habe ich manchmal gebeten, weniger an ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu denken - und sich lieber fallen zu lassen.
Nein, es sollte ja von ihnen selbst kommen. Wenn sie angestanden sind, habe ich einfach laut nachgedacht und mögliche Beweggründe erwogen, um ihnen etwas in die Hand zu geben, mit dem sie vielleicht etwas anfangen könnten, oder eine Richtungsänderung vorgeschlagen.
Es gab eine Farbdramaturgie - im ersten Teil nach dem Prolog herrscht Gelb vor, im Winterteil Blau, im zweiten Sommerteil Rot - und weil wir nicht chronologisch drehten, hat unsere Requisitenkammer immer in allen Farben geleuchtet. Aber nach drei ersten Wochen, in denen wir wetterunabhängige Innenbilder gedreht haben, die zum Teil bereits miteinander zusammenhingen, begannen wir mit ersten Schnittversuchen und sahen, daß unser Konzept von der "Auslassung", vom Verzicht aufs Auserzählen, funktionieren könnte. Das Drehbuch, das anfangs einen dreistündigen Film ergeben hätte, ist dadurch dünner geworden - wir haben uns getraut, von vornherein noch deutlich mehr wegzulassen.
Interview von Anna Katharina Wohlgenannt, April 2008