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PRESSESTIMMEN

Fünf Jahre nach "Revanche", seinem Oscar-nominierten Neoheimatfilm, macht der in Oberösterreich geborene und in Wien lebende Regisseur Götz Spielmann mit einem neuen Film auf sich aufmerksam.


kleinezeitung.at, 4. November 2013
Daniel Ebner

OKTOBER NOVEMBER

Fünf Jahre nach "Revanche", seinem Oscar-nominierten Neoheimatfilm, macht der in Oberösterreich geborene und in Wien lebende Regisseur Götz Spielmann mit einem neuen Film auf sich aufmerksam. "Oktober November" nennt sich das konzentrierte Familiendrama, das in Toronto seine Uraufführung feierte. Ein stillgelegtes Gasthaus in einem Alpendorf ist diesmal der zentrale Schauplatz, an dem sich zwei Schwestern am Sterbebett ihres Vaters wieder versöhnen. In Österreich ist der Film - mit Ursula Strauss, Nora von Waldstätten und Peter Simonischek in den Hauptrollen - erstmals im Rahmen der Viennale 2013 zu sehen.

Strauss verkörpert Verena, die in dem viel zu großen Gasthaus mit ihrem Mann (Johannes Zeiler) und dem gemeinsamen Sohn lebt und eine Liebesaffäre mit dem Arzt ihres Vaters (Sebastian Koch) unterhält. Als der Vater (Simonischek), ein mürrischer Patriarch, nach einem Herzinfarkt nur knapp dem Tod entkommt, kommt die erfolgreiche Fernsehschauspielerin Sonja (von Waldstätten) in das Dorf ihrer Kindheit zurück. Während sie die Menschen auf Distanz hält und stets ein wenig verloren wirkt, stellt Verena sich immer in den Dienst der Familie und verspürt die dringende Sehnsucht nach einem anderen Leben. Die so verschiedenen Schwestern treffen sich auf der Suche nach ihrer Identität und der Hoffnung auf Veränderung.

Kein künstliches Drama

Dass diese Suche nicht ohne Reibungen von statten geht, kann man sich vorstellen, doch Spielmann legt keinen Wert auf künstliche Dramatik. Wie der Regisseur und Drehbuchautor es schafft, seine Figuren stets nur das Nötigste sagen zu lassen und dabei um sie herum eine spannungs- und energiegeladene Atmosphäre zu kreieren, lässt einen vor allem in der ersten Hälfte des Films immer wieder den Atem anhalten. Eingebettet in die impressionistischen Herbstbilder von Martin Gschlacht entsteht dabei langsam das Bild einer Familie, in der - wie so oft - mehr unausgesprochen mitschwingt als tatsächlich je thematisiert wurde. Die Erzählhaltung ist dabei noch um einiges reduzierter, minimalistischer, radikaler als in "Revanche".

Wenn die entwurzelte Sonja in der zweiten Hälfte des Films alte Briefe ihrer Mutter zu lesen bekommt, verliert der Film ein wenig an Stringenz und Dichte, gewinnt jedoch an leiser Dramatik. Nora von Waldstätten liefert unter der Führung von Spielmann ebenso eine Glanzleistung ab wie Ursula Strauss, die schon in "Revanche" brillierte und mit dem wunderbaren Johannes Zeiler und dem überragenden Peter Simonischek eine höchst authentische Lebensgemeinschaft bildet. Sebastian Koch spielt den geheimnisvollen Arzt schön zurückhaltend, während eine der Hauptrollen einmal mehr der Natur zukommt: im Wald, am See oder am Berg mit den Wallfahrern, stets bildet das herbstliche Alpengefüge den idealen Rahmen.

Dass "Oktober November" beinahe zwei Stunden lang ist, ist trotz der ruhigen Einstellungen und der existenzialistischen Thematik kaum zu glauben. Stattdessen werden Erinnerungen an Bergman oder Ozu wach, setzt Spielmann auf existenzielle Sinnfragen und Verwurzelung.